Von einem Roboter gepflegt zu werden - das könnte in Zukunft Standard werden: Forscher um den Neuroinformatiker Professor Dr. Helge Ritter vom Exzellenzcluster CITEC der Universität Bielefeld arbeiten an dieser Vision – und stellen sich auch der Frage, was das für die Menschen bedeutet, in deren Leben intelligente Maschinen immer stärker eingreifen werden. Den aktuellen Stand stellte Helge Ritter in seinem Vortrag „Von Fingerspitzengefühl zu mitdenkender Intelligenz – wie technische Systeme zu freundlichen Helfern von morgen werden“ beim Fakultätskolloquium der Fakultät EIM im Sommersemester 2016 vor.
Die stetig wachsende digitale Vernetzung und Allgegenwart von Technik beeinflusst zunehmend auch die Wahrnehmungs- und Autonomiefunktionen von Robotern, Autos und sogar ganzen Wohnungen. Eine Brücke zwischen Mensch und Technik, die eine möglichst intuitive und einfache Kommunikation ermöglicht, gewinnt dadurch immer mehr an Bedeutung. Helge Ritter und seine Kolleginnen und Kollegen von CITEC (Cognitive Interaction Technology) versuchen der Technik die Einfachheit und Natürlichkeit der menschlichen Kommunikation „beizubringen“, Einsichten in die Prinzipien und Mechanismen kognitiver Interkationen zu erlangen und eine bessere Anpassung der Technik an unsere Lebensbedingungen zu ermöglichen. Bei dieser höchst interdisziplinären Forschung arbeiten Wissenschaftler aus der Linguistik, der Mathematik, der Biologie, der Technik sowie der Psychologie und der Sportwissenschaften zusammen.
Eine besondere Herausforderung in der Robotik ist der menschliche Tastsinn, dessen technische Umsetzung nicht trivial und aktuell noch mit der Taktilität einer betäubten Hand vergleichbar ist. Das Team von CITEC hat bereits Experimente durchgeführt, in denen ein Roboterarm ein Gefäß mit einem Schraubverschluss öffnen soll, wobei die Orientierung über die Tastfunktionen erfolgt. Im Fokus der weiteren Forschung stehen auch das Verständnis der Bedeutung von Gegenständen und ihrer taktilen Beschaffenheit sowie die Hand-Augen-Koordination.
Die Bedeutung von Situationen und Beschaffenheiten zu verstehen ist auch für den Ausdruck von Empfindlichkeiten in der menschlichen Mimik sehr bedeutsam. Um diese Fähigkeit auf die Technik übertragen zu können, hat Helge Ritter gemeinsam mit CITEC „Flobi“ entwickelt. Es handelt sich dabei um das Modell eines menschlichen Gesichts, welches Mimiken mit über 18 Freiheitsgraden ausdrücken und dabei auch Geschlechterspezifiken unterscheiden kann.
Die Integration multipler Funktionalitäten in einer „mitdenkenden“ Wohnung, die ihre Bewohner in zahlreichen Alltagssituationen unterstützen und sich an ihre Gewohnheiten anpassen kann, wird durch CITEC in dem Projekt KogniHome entwickelt und erforscht. Innerhalb dieses Projekts spielt auch die Entwicklung kognitiv hoch entwickelter Roboter als Haushaltshilfen eine Rolle.
Prof. Dr. Helge Ritter studierte Physik und Mathematik an den Universitäten Bayreuth und Heidelberg und promovierte im Fach Physik an der Technischen Universität in München 1988. Im darauffolgenden Jahr war er als Gastforscher am Laboratory of Computer and Information Science der Universität für Technologie in Helsinki beschäftigt, bevor er im Anschluss eine Forschungsprofessur am Beckman Institute for Advanced Science and Technology und dem Institut für Physik an der Universität Illinois annahm. Als Professor für Physik arbeitet er seit 1990 an der Universität Bielefeld. Sein Forschungsinteresse gilt den Grundlagen des neuronalen Rechnens, besonders den selbstorganisierenden und -lernenden Systemen, und ihren Anwendungen in der Roboterentwicklung, Datenanalyse und Mensch-Maschine-Interaktion. Helge Ritter ist Mitbegründer und Direktor des Institute of Cognition an Robotics (CoR-Lab) in Bielefeld und Koordinator des Exzellenzclusters „Cognitive Interaction Technology“ (CITEC).
2001 erhielt Helge Ritter für seine interdisziplinär ausgerichteten Arbeiten mit dem Leibniz-Preis den höchstdotierten deutschen Förderpreis.