Bei der Absolventenfeier der Fakultät für Elektrotechnik, Informatik und Mathematik am 1. Juli sprach Festrednerin Anke Domscheit-Berg über das Leben in der digitalen Gesellschaft.
Anke Domscheit-Berg bezeichnete die Absolventinnen und Absolventen als "die erste vollständig dokumentierte Generation". Unternehmen wie Facebook oder Google sammeln Informationen über Nutzer, speichern und verwenden sie für die effektivere und gezieltere Vermarktung und Platzierung von Werbung und Produkten. Aber auch zur gezielten Manipulation von Wahlen, beispielsweise, kann Big Data eingesetzt werden. So kann Google durch die Platzierung der Einträge für bestimmte Suchanfragen die Wahlentscheidung der Wähler beeinflussen, da die meisten Nutzer nur die ersten beiden "Hits" genauer betrachten. Auch jenseits politischer Wahlen hat Big Data Einzug in die staatliche Überwachung gehalten. Die Digitalisierung hat Überwachung logistisch, qualitativ sowie quantitativ nahezu grenzenlos werden lassen und kann, laut der Festrednerin, "als digitaler Totalitarismus bezeichnet werden, der die Demokratie auf einen falschen Weg bringt." So rechtfertigte der Bundesnachrichtendienst (BND) seine Verletzung grundgesetzlicher Vorgaben durch die Erhebung von Daten über Satelliten und somit außerhalb des deutschen Raumes. Die sogenannte Weltraumtheorie, die das Universum als rechtsfreien Raum festlegt, wurde erst kürzlich als solche legitimiert und erleichtert als Argumentationsgrundlage zusätzlich die Massenüberwachung.
Dass die Digitalisierung aber nicht nur Gefahren, sondern auch neue Chancen und Möglichkeiten birgt, wurde im Laufe des Festvortrages deutlich. Gerade der 3D-Druck bietet beinahe unbegrenzte Möglichkeiten, das Leben unserer Gesellschaft zu erleichtern, zu bereichern sowie neu zu ordnen. Die "Demokratisierung von Produktion" trägt ihre Früchte ebenso in der Medizin wie in der Automobilindustrie und vielen weiteren Bereichen, in denen Machtverhältnisse bislang davon abhingen, wer das Eigentum an Produktionsmitteln kontrolliert. Durch Entwicklungen wie eine 3D gedruckte Hand als Prothese, entwickelt von einem südafrikanischen Schreiner und einem kanadischen Marionettenbauer (Herstellungskosten: rund zehn US-Dollar) oder eine Do-It-Yourself 3D gedruckte Autokarosserie für rund fünfzig US-Dollar wird dieses Eigentum dezentralisiert. Allerdings ergeben sich durch Tendenzen wie diese auch neue ethische und gesellschaftliche Fragen vor allem in Bezug auf die Arbeitswelt. Eine Diskussion über ein bedingungsloses Grundeinkommen aufgrund von Berufen, die sich grundlegend verändern oder gar entfallen, erscheint Anke Domscheit-Berg an dieser Stelle sinnvoller als noch vor einiger Zeit. An die ehemaligen Studierenden richtete sie daher den Appell, ihren persönlichen Wertekompass auszurichten und die Weichen in ihrem beruflichen Leben sinnvoll zu stellen. Wichtig sei es auch, die Digitalisierung in ihren Chancen zu bestärken sowie in ihren totalitären Ansätzen auf einen demokratischeren Weg zu führen.
Die Absolventinnen und Absolventen der Fakultät EIM können diesem Appell nun folgen, denn sie haben mit Erhalt ihrer Zeugnisse offiziell ihr Bachelor- oder Masterstudium erfolgreich abgeschlossen. Außerdem wurde je ein Absolvent oder eine Absolventin des Bachelor- und Masterstudiengangs der drei Institute mit dem Preis für herausragende Studienleistung geehrt. Für die Bachelorstudiengänge wurden Christoph Böddecker (Elektrotechnik), Robin Oppermann (Informatik) und Mario Fuest (Mathematik) ausgezeichnet, in den Masterstudiengängen sind die PreisträgerInnen Nadine Feldmann (Elektrotechnik), Kathlen Kohn und Christoph Meinolf Rüthing (Informatik) sowie Lukas Nölke (Mathematik). Auch die Promovierenden haben an diesem Tag ihre Zeugnisse erhalten.
Traditionell wird bei der Absolventenfeier außerdem der Weierstraß-Preis für besondere Lehre verliehen. In diesem Jahr erhielten ihn der Juniorprofessor Dr. Heiko Hamann sowie ein Mitarbeiter aus der Mathematik, David Husert.